„Ich zieh‘ noch schnell Socken an, es ist ganz schön kühl geworden“, sagt er und wirkt dabei leicht zerstreut. Kein Wunder. Erst seit gestern ist Felix wieder in seinem kleinen Wohnheimzimmer in Konstanz und schon morgen geht es mit dem Studium weiter. Die Semesterferien waren ereignisreich, das sieht man an seinem Zimmer. Die pinke Bettwäsche mit den weißen Punkten ist zerwühlt, überall liegen Kleider und Taschen, Urlaub also. „Erst war ich mit Freunden in Istanbul und bin dann über Georgien nach Aserbaidschan gefahren, um dort ein Praktikum zu machen.“ Der 20-jährige reist nicht nur gerne, wie es den Anschein macht, sondern interessiert sich dabei neben Land und Leuten für die politische Lage. Diese führt ihn im Anschluss an das Praktikum wieder nach Istanbul. Er klappt den Laptop auf und öffnet eine Fotostrecke. „Im gesamten Viertel haben sie die Hauseingänge zugemüllt und teilweise drei Meter hohe Blechzäune aufgestellt, um zu verhindern, dass die Einwohner wieder in ihre Häuser kommen.“ Sie mussten Sanierungsmaßnahmen weichen, welche aus dem historischen Stadtbereich eine Neubausiedlung machen sollen. Klar, dass die Hintergründe den Politikstudenten interessieren und so hat er die Realität mit der Kamera eingefangen. „Mein Traum ist es Fotojournalist zu werden“, sagt er und wirkt stolz in seinem roten Holzfällerhemd und den bunten Stricksocken in Waldorfschuloptik.
Doch der gebürtige Kölner steht nicht nur gerne hinter der Linse. Neben der Fotografie ist Musik seine große Passion und hinter den Turntables hat sich Felix in Konstanz schon einen Namen gemacht. Der Hockgraben Rekorder steht für Feiern, Chillen, Tanzen und natürlich den sogenannten Hockgraben zwischen Universität und Felix‘ Wohnheim. Unter den Studenten sind Veranstaltungen unter diesem Namen ein Geheimtipp. „Aus meinem Studiengang habe ich paar Leute kennengelernt und wir wollten einfach was zusammen machen. Was, war am Anfang noch gar nicht klar“, sagt er lachend und scheint aus seiner zurückhaltenden Art gerissen. ‚Wir‘ sind neben dem dunkelhaarigen DJ, Hannah, Tristan und Kai. Und mit Kais Geburtstag wurde auch der Hockgraben Rekorder geboren. Die erste Party am See unter dem Motto ‚Tanz am Wasserwerk‘ war der Grundstein aller darauffolgender Open Air Gigs des Künstlerkollektivs. „In den Sonnenuntergang tanzen – das war die Idee. Dafür hat sich der Bodensee perfekt angeboten. Ich finde dabei neben dem Studium meine Erfüllung und dabei bringt es nicht nur mir, sondern auch anderen viel Spaß.“ Spaß scheint bei Felix allgemein verbreitet zu sein. Auf seinem Schreibtisch liegen neben Fotobuchstrecken und Klebestiften zwei kleine pink-violette Wasserpistolen und zwei Seifenblasenflaschen.
Schön ist dabei auch, dass Spaß nichts kosten muss. Deshalb kann jeder kommen der will und sich für elektronische Klänge begeistern kann. „In Köln bin ich viel in der Elektroszene rumgekommen und da in Konstanz diesbezüglich nicht viel los ist, hatte ich Lust selbst was zu machen.“ Klar, dass dafür alle nötigen Geräte schon vorhanden sein mussten. Ein weiterer Blick durch das kleine Zimmer zeigt, dass Equipment vorhanden ist. Neben dem Plattenspieler von Technics stehen große Boxen und auch Platten hat Felix jede Menge. Einzig den Generator müssen die vier Freunde für die Feiern leihen. „Das ist kein Problem, darum kümmert sich Kai meistens. Wir haben dann auch immer Bier da, welches wir für einen Euro verkaufen, sodass wir nachher wieder bei Null rauskommen.“ Eine ganz faire und für jeden studentischen Geldbeutel machbare Sache. Aus der Geburtstagsfeier wurden nun schon insgesamt drei Freiluftpartys. Am Ende waren es schon fast 150 Leute, die eine Sommernacht unter freiem Himmel durchtanzten. Kein Wunder – denn in einer kleinen Stadt wie Konstanz spricht sich so ein Event natürlich schnell herum. Dazu haben Felix und Co eine eigene Facebookseite eröffnet und 1000 Sticker und Flyer selbst designed und verteilt. „Für die Umsetzung am Computer war eigentlich immer Tristan verantwortlich.“ Mit einer ausholenden Geste, die Richtung Küche deutet, erinnert er sich zurück: “Und eigentlich begann auch alles damit, dass wir mittags nach der Uni zusammen saßen und einen Jutebeutel designen wollten. Mit einem leicht selbstironischen Blick auf Konstanz haben wir uns damals für Berlin, London, New York, Konstanze entschieden.“ Konstanze ist hier allerdings kein Schreibfehler, sondern ein running gag, der aus einem Konzertbesuch resultiert. Schuldig im Namen des Aufdrucks ist eine nordische Band, die auf der Bühne „Konstanze“, ein Bandmitglied, motivierte, während des Konzerts mehr Stimmung zu machen.
Auch vor Felix‘ Fenster macht der Konstanzer Herbst kein Halt. Die Fußbodenheizung der Zweckwohngemeinschaft macht es allerdings weniger schlimm und das seit kurzem wieder bewohnte Zimmer, wirkt lebhaft chaotisch inmitten der Aufräumarbeiten. „Wir werden auch im neuen Semester weiter machen. Ich habe schon was in Planung und es soll trotz dem Wetter bei den Open Air-Veranstaltungen bleiben,“ sagt Felix verschmitzt und reibt sich erwartungsvoll über die Schenkel, „vielleicht was unter dem Motto ‚tanz dich warm‘.“
Eine CD hat er auch schon produziert. Ganz spontan. Mit seinen Freunden. Letztes Jahr zu Weihnachten. „Wir haben nur 100 Stück gebrannt. Es sollte für alle die sein, die wir im ersten Semester kennengelernt haben.“ Vier Lieder sind darauf zu hören. Hannah singt. Auch Felix ist dabei, diesmal allerdings mit sanfteren Tönen und an der Gitarre. Den Bonustrack widmet er dann aber wieder ganz der elektronischen Musik. Wenn er von seiner Musik und den Projekten spricht, weicht ihm das Lächeln keinen Moment aus dem Gesicht.
Im vierten Semester ist Felix dann weg. Er muss ein Praktikum machen und darauf folgt schon das Auslandssemester. „Aber bis dahin ist ja noch Zeit.“ Er steht vor der Haustüre neben dem Wäscheständer und wirkt nachdenklich. „Jetzt hol‘ ich erstmal die Socken rein.“
Ein Interview vom 22.10.2012
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